Jeanette Spanier, Scaffeye GbR, im Interview mit DIGITALISIERUNG PRAKTISCH GESTALTEN
Diese Frau hat nicht nur Visionen. Sie setzt sie auch in die Tat um. Die Gerüstbau-Meisterin und mehrfach ausgezeichnete Gründerin Jeanette Spanier kommt aus dem rheinland-pfälzischen Familienunternehmen Spanier & Wiedemann. Sie steht als Paradebeispiel dafür, wie die Digitalisierung im Handwerk funktionieren und gelingen kann. Mit ihrem Start-up Scaffeye verschlankt sie die Abläufe im Gerüstbau. Zudem erleichtert ihre App den Gerüstnutzern vor Ort die Durchführung der vorgeschriebenen Sicherheitsprüfungen. DIGITALISIERUNG PRAKTISCH GESTALTEN hat mit Jeanette Spanier über Scaffeye und die Modernisierung im Handwerk gesprochen.
Wie haben Sie sich das Know-how zur Umsetzung Ihres digitalen Geschäftsmodells erarbeitet?
Jeanette Spanier:
Mein Vater und ich waren schon immer offen für Veränderungen in unserem Familienunternehmen. Deshalb haben wir auch schon vor vielen Jahren begonnen, unsere Prozesse zu verbessern. Als Gerüstbaumeisterin kenne ich unser Handwerk in der Theorie und Praxis genau. Mein Vater hat als Gründer der Spanier & Wiedemann KG sogar schon über 30 Jahre Erfahrung im Gerüstbau. Dieses Wissen fließt in unsere Projekte wie Moselcopter und jetzt Scaffeye ein.
Meine Ideen und digitalen Geschäftsmodelle entwickle ich aus dem Alltag des Gerüstbau-Handwerks. Bei Moselcopter lief die Geschichte so: Der Architekt konnte keine Planungsunterlagen zu einem komplexen Gebäude liefern, das wir mit einem Gerüst und einem Wetterschutzdach einhausen sollten. Dann haben wir uns einfach einen Copter zugelegt und begonnen, mit dessen Kamera Gebäudeaufnahmen zu erstellen. Heute vermessen wir Bestandsgebäude aus der Luft. Das hilft uns vor allem bei denkmalgeschützten Gebäuden, für die oft keine brauchbaren Pläne vorhanden sind.
Mit Scaffeye verfolge ich meine Vision, den Gerüstbau attraktiver und innovativer zu gestalten. Genauer gesagt hatte ich die Idee, die Verwaltung, die Sicherheitsprüfungen und die Kommunikation zwischen Gerüsterstellern, den Gerüstnutzern und den Planern mit einer digitalen Anwendung zu vereinfachen. Bei der Umsetzung haben wir uns dann entschieden, ein weiteres Start-up zu gründen, auch weil ich weiß, dass der Markt so eine Lösung benötigt.
Dann habe ich mich Schritt für Schritt auf den Weg gemacht. Ich habe eine Businessplan erstellt, habe viel Zeit in die Besuche von Gründermessen und potenziellen Kunden investiert, über mein Netzwerk einen geeigneten IT-Partner für die Programmierung der App gesucht, detaillierte Pflichtenhefte erstellt und mich um die Finanzierung gekümmert. Seit dem 05. Oktober 2018 ist Scaffeye jetzt auf dem Markt. Ein Start-up zu gründen erfordert sehr viel Mut und Durchhaltevermögen. Doch damit kann ich meine Ziele am besten erreichen.
Was sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Faktoren für eine erfolgreiche Übertragung digitaler Ideen ins Tagesgeschäft eines Handwerksbetriebs?
Jeanette Spanier: Die Sinnhaftigkeit und der Bedarf des Produktes müssen erkannt werden. Dann muss ich mir überlegen, ob meine digitale Idee nur intern im eigenen Betrieb eingesetzt werden soll oder ob ich es gleich so angehe, dass auch andere Unternehmen meine Lösungen nutzen können.
Für eine erfolgreiche Umsetzung digitaler Ideen sind die richtigen IT-Partner entscheidend. Bei der Auswahl unserer externen Programmierer und in den Bewerbergesprächen habe ich viel Wert darauf gelegt, dass die IT-Seite die Probleme unseres Handwerks genau versteht und bereit ist, auf unsere Anliegen einzugehen. Die „Chemie“ zwischen den Projektbeteiligten sollte natürlich auch stimmen. Während der Entwicklung müssen sich beide Seiten immer wieder austauschen und manchmal auch gegenseitig lernen, auf die Ratschläge des anderen einzugehen.
Letztlich möchten beide, Programmierer und Handwerker, ein gutes Produkt schaffen. Gerade Anwendungen, die vor Ort am Gebäude eingesetzt werden, müssen in der Bedienung absolut selbsterklärend sein. Ich sage dann immer: Zum Studieren hat auf der Baustelle keiner Zeit. Deshalb haben wir unsere App zusätzlich auch mit fachfremden Nutzern getestet.
Grundsätzlich empfehle ich, ein Produkt erst auf den Markt zu bringen, wenn es wirklich fertig ist. Auch wenn das ein paar Wochen länger dauern sollte
Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Kunden, die auf Ihr digitales Dienstleistungsportfolio zurückgreifen?
Jeanette Spanier: Vor Beginn meiner Umsetzung habe ich mich schon sehr viel mit Handwerkern und Architekten unterhalten und nach dem Bedarf und den Anforderungen gefragt. Auch heute wird mir immer wieder bestätigt, dass dies ein Produkt von Experten für Experten ist. Die Aussage, hier spürt man, dass diese Anwendung von einem Handwerker für einen Handwerker gemacht ist, habe ich erfreulicherweise schon häufiger gehört.
Sie sind viel auf Fachveranstaltungen und Messen unterwegs. Inwiefern bringen ein intensiver Austausch und Dialog Handwerksbetriebe gerade in Bezug auf das Thema Digitalisierung weiter?
Jeanette Spanier: Für mich ist es wichtig, dass die Handwerker erkennen, welche Prozesse sie optimieren können, wie sie die Umsetzung angehen und dass sie sehen, was es heute auf dem Markt bereits gibt.
Die Digitalisierung ist eine Chance, die die Handwerksbetriebe nicht verkennen dürfen. Deshalb würde ich mir wünschen, dass wir alle etwas offener durch die Welt gehen, häufiger Hilfe von anderen annehmen und das natürlich auch wieder zurückgeben.
Wie sehen die nächsten Schritte bei Scaffeye aus?
Jeanette Spanier: Nach der Veröffentlichung der ersten Programmversion können wir uns nicht zurücklehnen. Wir müssen noch eine lange Roadmap abarbeiten und Scaffeye auch in Zukunft permanent weiterentwickeln. Bis Anfang 2019 werden wir in Zusammenarbeit mit dem DIN Institut in Berlin auch die Standards (DIN SPEC) für die digitale Prüfung und Verwaltung von Gerüsten erarbeitet haben. Hierbei werden wir von der BG Bau und der DGUV unterstützt.
Grundsätzlich werde ich mich weiterhin dafür einsetzen, dass sich im Handwerk das Sicherheitsbewusstsein im Umgang mit Gerüsten verändert.